Hurdle Shares bei Mitarbeiterbeteiligungen – Attraktive Beteiligungsform trotz steuerlicher Fallstricke | PE-Magazin (2024)

Hurdle Shares bei Mitarbeiterbeteiligungen – Attraktive Beteiligungsform trotz steuerlicher Fallstricke | PE-Magazin (1)

Warum Hurdle Shares?

Nicht nur große Kapitalmarktunternehmen haben ein Interesse, Mitarbeiter am Unternehmenserfolg zu beteiligen. Insbesondere in der Start-up- und Private Equity-Szene incentivieren Gründer und Investoren ihre Mitarbeiter durch großzügige Eigenkapitalbeteiligungen. Der Gesetzgeber hat den Trend bereits im Jahr 2021 mit der Einführung des § 19a EStG durch das Fondsstandortgesetz aufgegriffen. Ein aktueller Referentenentwurf sieht vor, die Voraussetzungen des vielfach kritisierten § 19a EStG an die Anforderungen der Praxis anzupassen und dadurch die Mitarbeiterbeteiligung für eine größere Anzahl an Akteuren als Instrument zur Mitarbeitergewinnung zu mobilisieren.

Dabei hat das Unternehmen zunächst die grundlegende Wahl zwischen virtuellen Beteiligungsprogrammen auf schuldrechtlicher Basis und „echter“, gesellschaftsrechtlicher Kapitalbeteiligung. Während zunächst einige Aspekte für virtuelle Beteiligungsformen sprechen (geringerer Verwaltungsaufwand, keine Notarkosten, Flexibilität in der Ausgestaltung, keine gesellschaftsrechtsrechtliche Mitbestimmung), lässt sich ein echtes Verlustrisiko nur durch eine echte Kapitalbeteiligung sinnvoll implementieren. Häufig ist der Unternehmenswert aber bereits so hoch, dass Mitarbeiter mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Kapital keine signifikante Beteiligungsquote mehr erreichen können, was wiederum dem Incentive-Gedanken zuwiderläuft. Aus diesem Grund greift die Praxis zu sog. Hurdle Shares.

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Hurdle Shares sind gesellschaftsrechtliche Anteile, die mit einer negativen Liquidationspräferenz versehen sind und dadurch im Übertragungszeitpunkt im Vergleich zu Anteilen ohne Liquidationspräferenz einen geringeren Wert aufweisen. Der Abschlag resultiert aus dem Umstand, dass die Inhaber der Hurdle Shares nur an künftigen Wertsteigerungen partizipieren. Um das zu erreichen wird der bisher aufgelaufene und anteilig den Hurdle Shares zuzuordnende Unternehmenswert als negative Liquidationspräferenz abgezogen. Dadurch wird neben dem geringeren Wert zugleich eine streng zeitabschnittsbezogene Gewinn- und Verlustpartizipation erreicht.

Die steuerlichen Vorteile

Ein Beteiligungsprogramm in Form von Hurdle Shares kann nicht nur aus außersteuerlichen Gründen die bessere Wahl sein. Auch aus steuerlicher Sicht kann die Implementation von Hurdle Shares Vorteile mit sich bringen. Zahlungen aus virtuellen Beteiligungsprogrammen qualifizieren als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 19 EStG, die dem progressiven Einkommensteuertarif von bis zu 45 % (zzgl. SolZ) unterliegen. Hingegen unterliegt eine „echte“ Kapitalbeteiligung (laufende Beteiligungserträge und Veräußerungsgewinne beim Exit) als Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 EStG der Abgeltungsteuer von 25 % (zzgl. SolZ).

Allerdings existieren auch bei „echten“ Kapitalbeteiligungen steuerliche Fallstricke. Insbesondere ist die Einräumung der Kapitalbeteiligung nur dann steuerneutral möglich, wenn die Gegenleistung für die Anteile ihrem gemeinen Wert entspricht. Entscheidend ist also die Sichtweise unter fremden Dritten. Erhält der Mitarbeiter die Anteile dagegen verbilligt oder gar kostenlos, liegt grundsätzlich verdeckter Arbeitslohn vor. Die Differenz der Gegenleistung zum gemeinen Wert unterliegt als geldwerter Vorteil der Lohnsteuer. Liegt lohnsteuerpflichtiges Einkommen vor, erfolgt die Versteuerung grundsätzlich im Zeitpunkt der Übertragung der Anteile, auch wenn zu diesem Zeitpunkt noch kein Geldzufluss beim Arbeitnehmer zu verzeichnen ist („Dry Income“). Um diese Dry Income-Besteuerung zu verhindern, hat der Gesetzgeber mit § 19a EStG die Möglichkeit geschaffen, unter den dort genannten Voraussetzungen die Besteuerung bis zu den gesetzlich definierten Exit-Szenarien aufzuschieben.

Die Voraussetzungen des § 19a EStG sind allerdings derart eng, dass er in der Praxis selten zur Anwendung kommt. Selbst wenn ein Besteuerungsaufschub erreicht wird, mag dies zwar über Liquiditätsprobleme hinweghelfen. Jedoch kann die Regelung die Entstehung von Arbeitslohn in Höhe des geldwerten Vorteils nicht verhindern.

Die Besteuerung im Übertragungszeitpunkt

Für eine risikofreie steuerliche Gestaltung ist insbesondere die inhaltliche Ausgestaltung der Hurdle Shares im Übertragungszeitpunkt an den Mitarbeiter entscheidend. Die Schlüsselrolle nimmt dabei die Bewertung der Hurdle Shares ein. Nicht nur zur Vermeidung künftiger Arbeitseinkünfte erscheint es sinnvoll, die Hurdle Shares so auszugestalten, dass sie im Zeitpunkt der Übertragung einen möglichst geringen Wert haben und nur an der künftigen Wertsteigerung des Unternehmens partizipieren. Auf diese Weise wird in Fällen, die sich außerhalb des § 19a EStG abspielen, die sofortige Besteuerung auf ein geringeres Niveau reduziert oder komplett vermieden. Zudem erhöht sich in allen Fällen der prozentuale Anteil des Wertzuwachses, der in die Schedule der Kapitaleinkünfte fällt.

Die Bewertung der Anteile erfolgt nach § 11 BewG. Weil oftmals kein Kurswert (§ 11 Abs. 1 BewG) existiert, sind die Anteile gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 BewG mit dem gemeinen Wert zu bewerten. Mangels Verkäufen unter fremden Dritten muss die Bewertung in der Praxis häufig anhand einer anerkannten Bewertungsmethode erfolgen. Alle praxisrelevanten Bewertungsmethoden versuchen, den gemeinen Wert auf Basis verschiedener Grundlagen wie Substanz- oder Ertragslage zu bestimmen. Die Festlegung einer ausreichend hohen negativen Liquidationspräferenz führt zum Ausschluss der Partizipation am Erfolg der Vergangenheit und setzt damit den gemeinen Wert des Anteils unabhängig vom konkreten Bewertungsmodell herab, da ein Erwerber die Hurdle Shares ausschließlich auf Basis künftiger Ertragsaussichten und losgelöst von der gegenwärtigen Substanz des Unternehmens bewerten würde. Nachdem die Ertragsaussichten im Fall junger Unternehmen aber regelmäßig extremen Unsicherheiten unterliegen, fällt der gemeine Wert im Vergleich zu „regulären“ Anteilen häufig – zu Recht – wesentlich geringer aus.

Die Exit-Besteuerung

Die Exit-Besteuerung der Hurdle Shares erfolgt typischerweise beim Verkauf des gesamten Unternehmens, einzelner Anteile oder beim Ausscheiden des Mitarbeiters. In dieser Phase verbleibt dem Steuerpflichtigen wenig Handlungsspielraum und er zieht weitgehend nur die Konsequenzen der vorangegangenen Gestaltung.

Je nach Höhe der Beteiligung erfolgt die Besteuerung entweder mit Abgeltungsteuer (§§ 20, 32d EStG) oder nach dem Teileinkünfteverfahren (§§ 17, 3 Nr. 40 Buchst. c EStG). In beiden Fällen liegt die Steuerlast in der Regel deutlich unter derjenigen bei Anwendung der Regelbesteuerung (§§ 19, 32a EStG). Die Höhe der Einkünfte richtet sich in beiden Fällen nach der Differenz zwischen Verkaufspreis und Anschaffungskosten. Die Anschaffungskosten sind wiederum derjenige Wert, zu dem die Anteilsübertragung erfolgt ist.

Fazit und Ausblick

Hurdle Shares können auch aus steuerlicher Sicht eine attraktive Variante der Mitarbeiterbeteiligung darstellen. Im Zusammenspiel zwischen der Besteuerung im Übertragungszeitpunkt und derjenigen beim Exit nimmt die inhaltliche Ausgestaltung und die daran anknüpfende Bewertung eine kritische Rolle ein. Wegen der engen Voraussetzungen des § 19a EStG befindet sich das Hauptfeld der Beratung jedoch weiterhin außerhalb kodifizierter Fallgestaltungen. Allerdings sind die rechtlichen Rahmenbedingungen in einigen Detailfragen noch nicht ausreichend konturiert. Insbesondere existieren weder einschlägige Urteile noch dezidierte Verwaltungsmeinungen zur steuerlichen Bewertung und Behandlung von Hurdle Shares.

Zum einen bleibt daher mit Spannung zu erwarten, ob und wann sich Gesetzgeber bzw. Finanzverwaltung umfassend zu diesem wichtigen Thema äußern oder ob die Finanzgerichtsbarkeit den für die Praxis verlässlichen Rechtsrahmen auch künftig fragmentarisch erweitern wird. Zum anderen ist in Grenzfällen noch immer Vorsicht geboten. Im Zweifel empfiehlt sich auch weiterhin die Einholung einer Anrufungsauskunft nach § 42e EStG oder einer verbindlichen Auskunft nach § 89 AO.

Dieser Beitrag ist erstmals erschienen in: DER BETRIEB, Steuerboard, 26. Mai 2023

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